Mein Kind wird gemobbt

Die 12-jährige Anna wird von ihren Eltern als ruhiges, sensibles und intelligentes Mädchen beschrieben. Vor einem Jahr haben die Probleme in der Schule begonnen.

Anna litt immer wieder unter den verletzenden Bemerkungen und bösen Blicken Katharinas, eines Mädchens aus ihrer Klasse. Allmählich wurde sie von Katharina und ihren Verbündeten von Gesprächen und gemeinsam Aktivitäten ausgeschlossen. Bei Anna verstärkte sich zunehmend das Gefühl: „Niemand mag mich.“ Gegen Ende der letzten Ferienwoche hat Anna schließlich Angst bekommen, wieder in die Schule zu gehen. Immer wieder hat sie in der Vergangenheit versucht, sich in die Mädchengruppe einzubringen. Immer wieder hat sie Ablehnung erfahren. Inzwischen sucht Anna den Fehler bei sich und verliert zunehmend ihre Lebensfreude. Das Lernen fällt ihr immer schwerer.

Mobbing

Psychisches Mobbing, Gewalt und Ausgrenzung hat viele Facetten. Allen gemeinsam ist „nur“ die absolute Machtlosigkeit der gemobbten Person – im Gegensatz zu einem normalen eskalierten Konflikt, bei dem alle Beteiligten Handlungsspielräume haben und aus dem Konflikt aussteigen können.

Die Beschwerdebilder reichen von psychosomatischen Symptomen wie Bauch- und Kopfschmerzen, über den Verlust von Freude und Interessen, Niedergeschlagenheit, Gefühle der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, Ängste, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, Rückzug bis hin zur Schulverweigerung. Bei einigen der betroffenen Kinder und Jugendlichen kommt es sogar zu Selbstmordgedanken und -versuchen.

Durch Mobbing verursachte Belastungen kosten viel Energie. Ich beobachte, dass betroffenen Kindern und Jugendlichen dann die innere Ruhe fehlt, um sich auf das Lernen und die Hausaufgaben zu konzentrieren. Es fehlt ihnen auch die Energie, sich auf Prüfungen vorzubereiten und Referate auszuarbeiten.

Langfristig kann das in diesen jungen für die Identitätsentwicklung so wichtigen Jahren äußerst schädliche Auswirkungen auf den Selbstwert und die zukünftigen Entscheidungen haben: Es verändert das zukünftige Leben, wenn man von sich denken muss: „Niemand mag mich.“

Wehr dich halt!

David, der sich endlich hilfesuchend an seine Lehrerin wendet, weil sein „Freund“ Max ihn immer wieder beschimpft, kriegt folgenden Satz zu hören: „Das müsst ihr euch schon selber ausmachen.“

Annas Lehrer sagt: „Sei nicht so empfindlich.“

Julia, eine der Ruhigsten in der Klasse, wird von ihrem Lehrer „bestärkt“: „Dann musst du dich halt einmal wehren.“ Aber Julia hat nach wie vor keine Idee, wie ihr das gelingen kann.

Manche Eltern kriegen von Direktoren die Auskunft: „An unserer Schule gibt es kein Mobbing.“

So und so ähnlich wird das Problem bagatellisiert und verleugnet. Das betroffene Kind bleibt in seiner Not und Hilflosigkeit von Seiten der Schule alleine und im Stich gelassen. Und mit ihm all jene Kinder, die oft aus Angst und Scham nicht den Mut haben, auszusprechen, was ihnen angetan wird. Das Charakteristikum von Mobbing ist ja gerade, dass das betroffene Kind es alleine nicht lösen kann. Es handelt sich dabei um ein Gruppengeschehen, das nur unter Mitwirkung aller Beteiligten und unter Anleitung von geschulten Erwachsenen gelöst werden kann.

NEIN zu Gewalt

Eindeutige Botschaften, dass Gewalt nicht geduldet werde, sind wichtig. Doch rigorose Bestrafung führt häufig dazu, dass das aktiv mobbende Kind in einer anderen Form weiter macht, zum Beispiel verdeckt oder außerhalb der Schule.

Dazu kommt: Schaut man genauer hin, entdeckt man oft, dass das mobbende Kind selbst in irgend einer Form Druck ausgesetzt ist und sich ohnmächtig fühlt. Die innere Spannung entlädt sich dort, wo keine Gegenwehr oder Strafe befürchtet wird. Ein mobbendes Kind erzählt: „Endlich ein Bereich, wo es geht, wie ich es will.“

Aus dem in der Klasse so tyrannischen Max soll einmal etwas Besseres werden. Seine Mutter quält ihn mit Vorbildern, die er nicht erreichen kann. Er fühlt sich dumm und unfähig.

Die gnadenlose Katharina, scheinbar selbstbewusst und umringt von Fans, spaziert zwar in Designeroutfits durch die Schule, aber zu Hause hat sie niemanden, der ihr zuhört (→ „i don`t like mondays“).

Manche Kinder, die solche oder andere Formen psychischer und physischer Gewalt und Vernachlässigung erleben, geben sie weiter.

Sicherer Ort

Um lernen zu können, brauchen Kinder einen sicheren Ort. Je freundlicher und wohlwollender die Umgebung, umso eher können sie sich und ihre Fähigkeiten entfalten. Lernen im Sinne von selbst zu Erkenntnissen kommen, ist mit dem Gefühl von Freude und Begeisterung verbunden. Auf Dauer demütigenden Worten und verletzenden Blicken ausgesetzt zu sein, beeinträchtigt den Rahmen fürs freudvolle Lernen.

Wir Erwachsene brauchen einen wachsamen Blick für Gewaltsituationen körperlicher UND seelischer Natur, um es möglichst gar nicht erst zu Mobbing kommen zu lassen. Wichtig ist, dass Kinder gehört und Eltern gut unterstützt werden und dass Lehrkräfte jene Unterstützung vom Kollegium, von der Schulleitung und von den übergeordneten Behörden erhalten, die sie brauchen.

Herzlich
Ihre
Simone Fröch

 

Unter folgenden Links erhalten Sie rasche und professionelle Hilfe:

Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs stehen Betroffenen zur Seite und bieten kostenlose Beratung an: kija.at

Rat auf Draht: österreichweit, anonym, kostenlos, 24-h Notruf für Kinder, Jugendliche und deren Bezugspersonen unter der Rufnummer 147 (ohne Vorwahl), rataufdraht.at

 

Bild © Nena2112 / Photocase

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