„Sicher ist sicher“ – wenn Eltern zu viel Angst haben

Kind auf KlettergerüstKinder brauchen ausreichend Schutz und Sicherheit – das ist klar. Und gute Eltern wollen ihren Kindern geben, was sie brauchen – ohne Frage.

Doch was, wenn die Angst in den Köpfen der Eltern die Alleinherrschaft übernimmt?

Auf dem Kinder-Spielplatz

Stella besucht mit ihrer Mama einen Kinder-Spielplatz. Dort steht ein neues Klettergerüst. Mit staunenden Augen betrachtet die 4-Jährige das bunte Gestänge, um es im nächsten Augenblick mutig zu erklimmen.

Dicht daneben steht Stellas Mama. Die Anspannung ist ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Schon ruft sie ihrem Sprössling warnend zu: „Pass ja auf! Und halte dich gut fest! Sonst fällst du noch runter!“

Als Stellas Fuß abrutscht und in der Luft nach dem nächsten Halt sucht, zuckt ihre Mama zusammen. Ihr Atem stockt und ihr Herz schlägt schneller. Vor ihrem inneren Auge ist Stella bereits vom Klettergerüst auf den Boden gefallen. Und liegt nun Phantasie blutig aufgeschlagen und bewusstlos vor ihr.

Geht es Ihnen manchmal auch so?

  • Neigen Sie in solchen oder ähnlichen Situationen ebenfalls dazu, so nah wie möglich bei Ihrem Kind zu sein, um es keine Sekunde aus den Augen zu verlieren?
  • Gehen auch Ihnen in solchen Momenten alle möglichen Fantasien darüber durch den Kopf, was Ihrem Schützling alles Schlimmes passieren könnte?
  • Würden Sie Ihr Kind am liebsten in Watte packen, damit ihm nur ja nichts zustößt?

Viele der elterlichen Befürchtungen sind berechtigt. Einige davon stellen jedoch durchaus überschaubare Risiken dar und bieten dem Kind wertvolle Lern- und Entwicklungschancen.

Wenn die Angst den Ton angibt

Im Idealfall macht uns Angst auf reale Gefahren aufmerksam, denn sie will uns davor beschützen. Angst ist jedoch nicht immer die beste Ratgeberin. Denn sie kann auch in eigentlich ganz harmlosen Situationen Bilder des Schreckens im Kopf erzeugen. Diese verstellen dann den Blick auf das Kind. Darauf wie es wirklich ist, was es alles schon kann und was es tatsächlich braucht.

Dazu kommt noch, dass Kinder die Ängste und Unsicherheiten ihrer Eltern sehen.
Und möglicherweise lernen sie für sich daraus:

  • „Die Welt ist ein gefährlicher Ort.“
  • „Ich bin schwach, hilflos und schutzbedürftig.“
  • „Ich muss immer vorsichtig sein.“

Wollen Sie das?

Fünf hilfreiche Tipps im Umgang mit Angst

  • Starke KinderWie können Sie erwachsen mit Ihren Ängsten umgehen?
  • Was können Sie tun, um Ihre eigene Angst nicht an Ihr Kind weiterzugeben?

(1) Zunächst ist es wichtig, dass Sie die eigenen Gefühle der Angst erkennen. Fragen Sie sich also woran Sie merken, dass Sie Angst haben.

  • Was registrieren Sie als erstes, wenn Sie unruhig, angespannt und nervös sind?
  • Bekommen Sie vielleicht weiche Knie, klopft Ihr Herz schneller, fühlt es sich an wie Schmetterlinge im Bauch, spüren Sie eine Art Enge in der Brust oder ganz etwas anderes?

(2) Um Katastrophenphantasien gut zu handhaben und damit verknüpfte,belastende Angstgefühle zu regulieren und zu verringern, ein Tipp aus dem psychologischen Ideen-Schatz-Kästchen:

Machen Sie sich die eigenen Katastrophenbilder bewusst, indem Sie sich fragen:

„Was könnte schlimmstenfalls passieren?“

Und sobald Sie sich das klar gemacht haben, stoppen Sie die schrecklichen Bilder, indem Sie sich fragen:

„Was könnte bestenfalls passieren?“

Malen Sie sich in allen Details aus, was genau geschehen wird, wenn alles gut ausgeht. Damit übernehmen Sie also die Regie über den Film in Ihrem Kopf. Sie stellen den Schreckens-Bildern beruhigende Bilder dagegen, indem Sie in Ihrer Vorstellung ganz bewusst einen Erfolgsfilm drehen. Schenken Sie den guten Bildern dabei mindestens genauso viel Aufmerksamkeit wie den Angst-Bildern von vorher.

(3) Prüfen Sie in solchen Situationen, wie groß die Gefahr tatsächlich ist und sorgen Sie für angemessene Sicherheit. Denn das kann fürs Erste schon einmal beruhigen.

(4) In Momenten des Schreckens oder der Angst halten viele Menschen die Luft an. Da kann es helfen, die Aufmerksamkeit auf die Atmung zu lenken und ganz bewusst wieder weiter zu atmen.

(5) Zu guter Letzt: Glauben Sie an Ihr Kind und vertrauen Sie ihm und seinen Fähigkeiten. Denn damit unterstützen Sie es dabei, über sich selbst hinauszuwachsen. Und durch Ihr Vertrauen, gewinnt Ihr Kind leichter Selbst-Vertrauen.

Zurück zum Kinder-Spielplatz

Stella besucht mit ihrer Mama einen Kinder-Spielplatz. Dort steht ein neues Klettergerüst. Mit staunenden Augen betrachtet die 4-Jährige das bunte Gestänge, um es im nächsten Augenblick mutig zu erklimmen.

Stellas Mama steht ruhig daneben. Bevor es los geht, zeigt sie Stella noch einen super-guten Bergsteiger-Trick. Mit ermutigender Stimme sagt sie zu ihrem Sprössling: „Schau mal. Ich zeige dir wie „gut festhalten“ geht. Richtige Bergsteiger machen das so: Eine Hand muss immer gut festhalten. Dann kann die andere Hand suchen.“ Mit Mamas Trick im Kopf klettert Stella sogleich vertrauensvoll drauf los. Ihre Mama schaut optimistisch zu und passt gut auf sie auf.

Als Stellas Fuß abrutscht und in der Luft nach dem nächsten Halt sucht, stockt ihrer Mama kurzfristig der Atem. Sie wirft schnell einen Blick auf den Boden und sagt sich im Stillen: „Rindenmulch. Ok, das würde ein großer Schrecken werden, aber keine große Verletzung.“ Sie atmet einmal tief durch und beruhigt sich. Dann wendet sie sich wieder ihrer Tochter zu. Und bestärkt sie noch einmal aufs Neue: „Gut machst du das. Du schaffst es.“

Vor ihrem inneren Auge ist Stella bereits sicher und heil oben angelangt. Und schaut sie nun in Ihrer Phantasie ganz selbstbewusst an – groß ist die Freude über die Erfahrung, so eine Herausforderung aus eigener Kraft gemeistert zu haben.

Tief durchatmen also. Und immer wieder loslassen, denn gelassene Eltern vermitteln ihren Kindern Sicherheit und machen sie stark!

Herzlich
Ihre
Simone Fröch


Anmerkung: Manchmal fällt es trotz aller Bemühungen schwer, die eigenen Verhaltens-Muster zu verändern. Dann kann eine Eltern-Beratung helfen, dem gewünschten Ziel in Begleitung einer Expertin Schritt für Schritt näher zu kommen.

Bild: © lumen-digital/photocase.com, roostler/fotolia.com

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